Eduardo Moguillansky
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Zaehmungen #2
(Bogenwechsel)

2011 | 12'
string trio with tapebows, ensemble (fl, kl, sax, pf, perc)
commission Bayerischer Rundfunk for the Ensemble Msaik
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  •  Kommentar - Björn Gottstein
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We have heard it often: in a string instrument the sound is produced by the bow. How does the bow actually sound? The direct solution, to microphone the sound from the point of view of the bow, is misleading: the bow movement (direction, speed, position) has a limited acoustic effect.
I propose an indirect solution. The piece sets to extract features of the bow movement which are not audible under normal circumstances. The strings play with a modified bow, a tapebow: instead of the hair, a magnetic tape with prerecorded material is attached to the bow. The tape-head (the device which “reads” the tape) is fixed to the instrument. The relationship is inverted: the instrument plays the bow.
As with the normal bow, sound is only produced by movement. A fast movement produces a compressed (higher) sound, a slow movement, a stretched (lower) sound. The absolute position of the bow is relevant: different sections of the bow have a different sound recorded. A down-bow plays the tape forward, an up-bow rewinds it.
The cultural history behind the string technique stays untouched, its the perspective which is shifted. A tremolo becomes a granular texture, bow pressure turns into tape saturation, an up-bow turns into a reversed sound. With this shift some aspects of that other part of the bow mechanism –the arm– become audible as well. The magnetic band presupposes its own expectations. But no musician can be as precise as a tape-machine. The irregularities in the movement, audible as a continuous fluttering, give evidence of our failed condition: of our humanity.
Seine zaehmungen hätten wohl auch dressuren heißen können, merkt Eduardo Moguillansky an. Aber diesen Titel hatte Mauricio Kagel, der wie Moguillansky aus Argentinien kommt, bereits für einen Film aus dem Jahre 1985 in Anspruch genommen. Deshalb wird bei Moguillansky der Musiker also nicht dressiert, sondern gezähmt, was nicht nur ein sehr viel liebevollerer Akt ist als das Peitschen-knallende Abrichten, sondern auch stillschweigend von der Voraussetzung ausgeht, dass der Musiker vorher ein wildes Wesen gewesen ist und dahin gebracht werden muss, dass er ohne Gefahr für den Komponisten auf dessen Musik losgelassen werden kann.
Aber man sollte es mit der Exegese des Titels wohl auch nicht zu genau nehmen, denn letztlich ist klar, dass es Moguillansky um Automatismen und Normalitäten geht, die er lustvoll durchkreuzt. Im Mittelpunkt der zaehmungen #2 steht die Klangidee des “Tonbandbogens”, das heißt einem Bogen, der nicht mit Haaren, sondern mit einem Tonband bespannt wird, und der nicht über Saiten, sondern über einen Tonkopf gezogen wird. Die drei Streicher werden in der Besetzungsangabe gesondert genannt und somit in den Stand eines Solistenensembles erhoben, während die übrigen Instrumente, vier Holzbläser, Schlagzeug und Klavier dem Streichtrio als Ensemble gegenüber stehen.
Das Tonband, das die Streicher auf ihren Bogen spannen, enthält drei Klänge. Im unteren Drittel erklingt eine englisches Sprachfragment, im oberen Drittel ein Ausschnitt aus Franz Schuberts Streichtrio D. 471, wobei die Musiker ihre Stimme je selbst einspielen, sodass die Violine aus dem Violinpart des Schubertstückes spielt, die Viola aus dem Violapart, das Violoncello aus dem Violoncellopart. Das mittlere Drittel des Tonbands ist je unterschiedlich vergeben, mit einem Signalton (z. B. ein Telefonklingeln) auf der Geige, einem kurzen Radiosample mit Wetter- und Sportnachrichten auf der Bratsche und einer Tonleiter abwärts auf dem Cello.
Nun ist klar, dass die Musiker das Tonband nicht mit derselben Regelmäßigkeit und Genauigkeit einer Maschine über den Tonkopf ziehen. Es kommt also zu Schwankungen und Transpositionen im Klang, die Moguillansky mitkomponiert hat. Er hat für zaehmungen #2 eine eigene Notation entwickelt, bei der nicht die Tonhöhe, sondern die Position auf dem Bogen notiert wird. Das Stück beginnt mit einer Cellopassage, bei der das untere Drittel des Tonbandbogens zum Einsatz kommt, sodass man zunächst die englische Sprachaufnahme in unterschiedlichen Geschwindigkeiten zu hören ist. Im Laufe des Werkes spielt Moguillansky verschiedene Varianten durch: bei Abstrich ist das Tonband vorwärts, beim Aufstrich rückwärts zu hören. Die abwärts laufende Tonleiter auf dem Celloband erklingt mithin bei Aufstrich aufwärts.
Moguillansky unterscheidet dabei Klänge, die vorwärts und rückwärts nicht als vorwärts und rückwärts laufende Klänge zu erkennen sind, was sowohl für die Signaltöne als auch für die Musikaufnahmen gilt, und solche, die der Laufrichtung nach zu eindeutig sind, wozu vor allem die Sprache gehört, und zwar unabhängig von der Sprachkompetenz des Hörers. So entsteht eine gewisse Systematik im Umgang mit den Klängen, die mal im Tremolo verschwimmen, wie von einem scratchenden DJ als rhythmischer Impuls verwendet oder ihrer Geschwindigkeit nach in den Bass oder den Diskant versetzt werden. Was genau auf dem Band zu hören ist, erklärt Moguillansky, sei eigentlich zweitrangig. Ja, es sei eine wichtige Ausgangshypothese gewesen, dass die Herkunft der Klänge im Zuge ihrer bogentechnischen Ausarbeitung an Bedeutung verliert und vielmehr zu grammatikalischen Bausteinen, zu Phonemen einer anderen, neuen Sprache werden. Es werden also nicht nur die Musiker gezähmt, sondern bis zu einem gewissen Grade auch die Klänge selbst. Ergänzt werden die Klänge des Bogenbandes von einem MIDI-Klavier, also einer Tastatur, mit der ein Computer gesteuert wird. Das Klangmaterial des MIDI-Klaviers geht auf dieselben Aufnahmen zurück, die auf den Streicherbögen enthalten sind, wurden hier aber elektroakustisch “granuliert”, um wie erstarrte, “gefrorene” Klänge zu wirken. Die Streicher klingen nur, wenn der Bogen sich bewegt; es ist kein Stillstand bzw. kein Aus- und Nachklang möglich. Auch deshalb hat Moguillansky die Besetzung um das MIDI-Klavier ergänzt.
Moguillansky greift in seinen zaehmungen #2 zwei historische Formprinzipien auf. Zum einen ist da der Hoquetus, jene mittelalterliche Technik gegeneinander geschnittener Stimmen, die einander im wechselhaften Hin und Her ablösen und ins Wort fallen. Moguillansky hat mehrere Schichten und Prozesse überlagert, aber diese Schichten sind nie gleichzeitig zu hören. Und dann liegt dem Stück tatsächlich die Sonatenhauptsatzform als Gerüst zugrunde. Dass die vier Holzbläser auch Melodica spielen hat damit zu tun, dass in den zaehmungen #2 zwei Themen exponiert werden. Das zweite Thema ist allerdings so etwas wie ein Geisterthema. Moguillansky setzt die Melodica so ein, dass im Ohr des Hörers so genannte Differenztöne entstehen, die nicht eigentlich gespielt werden, sondern auf diesen psychoakustischen Eindruck zurückgehen. Bei hohen Melodicatönen stellt sich dieser Effekt besonders leicht ein. Als “eine Art Motette genannt” hat Moguillansky dieses zweite Thema bezeichnet. Die Sonatenhauptsatzform ist, auch aufgrund der Überlagerung mehrere Prozesse, der klanglichen Vielfalt, der Materialkomplexität und der Hoquetus-Technik nicht leicht als solche zu erkennen, auch wenn Moguillansky betont, dass die Reprise “, bei der die Steicher sich – wie am Anfang – wieder auf das untere Bogendrittel beschränkten, ”offensichtlich" sei.
Die zaehmungen #2 sind Teil einer Werkreihe, die sich mit den Bedingungen des Musizierens auseinander setzt, die Bewegungsabläufe seziert und physikalisch-akustische Prinzipien durchleuchtet. In anderen Werken der Reihe geht es um die Resonanzen des Klaviers und um die Schwingungen der Luftsäule im Inneren der Blasinstrumente. Aber auch darüber hinaus hat Moguillansky die Möglichkeiten der musikalischen Sinnstiftung signifikant erweitert. In seinem Stück band [I. wachs] zum Beispiel werden acht Megaphone so eingesetzt, dass die Störgeräusche der Geräte gesprochene Sprache imitieren. In Bauauf ist es ein hoher Ton, der zugespielt wird, und den, aufgrund der abnehmenden Hörleistung im Alter, nur Hörer noch wahrnehmen, die jünger als 30 Jahre alt sind und also nach dem Ende der Diktatur in Argentinien, 1982, geboren wurden. Viele Werke Moguillanskys haben einen solchen zeitgeschichtlichen Hintergrund. band [I. wachs] geht zum Beispiel auf die Erinnerung an die Zerstörung von Megafonen zurück, wodurch verhindert werden sollte, dass das argentinische Militär die Besitzer als Oppositonelle entlarvte. Das Textfragment, das dem Stück zugrunde liegt, geht auf die Rede eines argentinischen Generals zurück, der erstmals öffentlich von Vermissten spricht. Das politische Geflecht der zaehmungen wirkt auf den ersten Blick vielleicht harmloser, weil es nicht um konkrete Gewalttaten und Verbrechen gegen die Menschheit geht, und trotzdem sind diese Werke beunruhigend, weil sie uns etwas darüber sagen, wie tief sich die Dressuren, nicht nur die der Musiker, sondern auch die der Hörer, in das Bewusstsein eingeschrieben haben. 
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Im Zentrum des zweiten Konzertabends steht Eduardo Moguillanskys Komposition “ZAEHMUNGEN #2 bogenwechsel”, bei der das Instrument so präpariert ist, dass der Bogen die Geige spielt. Der Klang wird elektronisch amplifiziert und auf eine Weise verzerrt, dass er mit einem Streichinstrument kaum mehr in Verbindung zu bringen ist: ein Gurgeln wandert durch alle Register und wird immer wieder von aufflirrenden Geräusch-Strukturen durchkreuzt. Diee Musik vermittelt auf eine wesentlich kunstvolle und abstrakte Weise die Relativität und Subjektivität unserer Wahrnehmung. (…) Immer wieder kehrt der filmische Fokus zum Dirigenten Enno Poppe zurück, den man in grobkörniger Filmoptik von allen Seiten, in Nah- und Weiteinstellung auf nach allen Seiten ausgerichteten Leinwänden präsentiert bekommt, während er real mit höchster Konzentration und Präzision das Ensemble durch das komplexe Werk navigiert. (…)
Barbara Eckle, Neue Musik Zeitung